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Unternehmenswert - Vorstellung und Realität

Aktualisiert: 1. März


Luftschlösser hindern den erfolgreichen Verkauf intakter Betriebe von vornherein.
Luftschlösser im Firmenverkauf

Einer der zentralen Aspekte beim Verkauf eines Unternehmens ist zweifellos die Festlegung des Verkaufspreises. Die Einigung zwischen Käufer und Verkäufer in diesem Bereich ist entscheidend für einen erfolgreichen Abschluss des Verkaufsprozesses. Die Verhandlungen des Kaufvertrags werfen automatisch die Frage nach dem Wert des Unternehmens auf.


Bei börsennotierten Unternehmen gestaltet sich die Bestimmung des Unternehmenswerts (englisch: Enterprise Value, kurz: EV) vergleichsweise einfach. Im Gegensatz dazu müssen bei kleinen und mittleren Unternehmen, deren Anteile nicht öffentlich gehandelt werden und oft in privatem Besitz sind, spezifische Methoden angewandt werden, da es keine einheitlichen Standards gibt.


Wie also lässt sich der Unternehmenswert ermitteln? Eine Möglichkeit besteht darin, etablierte Bewertungsmethoden zu nutzen, die entweder auf den materiellen Vermögenswerten oder den erzielten Erträgen des Unternehmens basieren. Diese Bewertungsansätze bilden eine robuste Grundlage für Diskussionen über den Unternehmenswert, vernachlässigen jedoch die Dynamik des Transaktionsmarktes. Als grobe Richtlinie gilt: Der Wert eines Unternehmens entspricht dem Betrag, den der Markt bereit ist zu zahlen.


Eine alternative Methode besteht darin, auf empirische Daten zurückzugreifen. Hierbei werden systematisch Erkenntnisse aus messbaren und überprüfbaren Ergebnissen von abgeschlossenen Transaktionen gewonnen, anstatt sich auf theoretische Überlegungen zu stützen. Das Unternehmen wird anhand von Daten aus realen Geschäftsabschlüssen bewertet, und seine Verkaufsfähigkeit wird geprüft. Das Ergebnis ist ein Unternehmenswert, der sich am aktuellen Marktgeschehen orientiert.


Der Wert eines Unternehmens entspricht dem Betrag, den der Markt bereit ist zu zahlen.

Verschiedene Sichtweisen und Fehlschlüsse

Nachdem die Entscheidung gefallen ist, die Firma zu verkaufen, muss der Verkaufspreis festgelegt werden. Aus unserer täglichen Praxis wissen wir, dass Verkäufer häufig einen bestimmten Preis oder einen Richtwert im Kopf haben, bevor sie eine professionelle und neutrale Bewertung in Auftrag gegeben haben.


Häufig spielt der Umsatz eine entscheidende Rolle als Referenzpunkt für den Verkaufspreis. Es kommt auch vor, dass direkt eine runde Zahl genannt wird, die aber einer solide Bewertung nicht standhält. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Verkäufer den Wert ihres Unternehmens höher einschätzen als potenzielle Käufer. Ihre Einschätzung wird oft von einer starken emotionalen Bindung und Hingabe zum Unternehmen beeinflusst, und der persönliche Einsatz und das "Herzblut" fliessen in die Bewertung ein.


Im Gegensatz dazu neigen potenzielle Käufer dazu, den Wert des Unternehmens deutlich niedriger anzusetzen. Um diese Differenzen zu überbrücken, ist es dann hilfreich, die Standpunkte und Argumente der anderen Partei aufzugreifen und einen Konsens zu finden. Dies erfordert sachliche Argumentation und eine weniger emotionale Herangehensweise.


Zusätzlich gibt es im Hinblick auf die Unternehmensbewertung verbreitete Fehlannahmen, besonders auf Seiten der Verkäufer. Diese müssen dann erst einmal ausgeräumt werden. Vier dieser Fehlschlüsse tauchen oft in Gesprächen mit Unternehmer:innen auf. Sie sind im Grunde genommen nicht falsch, basieren jedoch auf falschen oder unvollständigen Annahmen, die bei faktenorientierten Käufern möglicherweise nicht gut ankommen.


Fehlschluss Nr. 1:


"Mein Unternehmen hat doch sooooviel Potenzial !"

Jedes Unternehmen birgt Potenziale. Daher wird in Preisverhandlungen oft auf das Potenzial verwiesen. Zukünftig mögliche Erträge sollen bereits beim Vertragsabschluss in den Unternehmenswert einfliessen, da der Verkäufer den Grundstein für die Erschliessung dieser Potenziale bereits gelegt hat und der Nachfolger nun die Früchte dieser Bemühungen ernten kann.


Mein Unternehmen hat doch sooooviel Potenzial

Grundsätzlich ist dieser Gedanke nicht falsch, jedoch geht er nicht weit genug. Es ist natürlich relevant für den Käufer zu wissen, ob ein Geschäft problemlos skalierbar ist und wie es um die Gewinnung von Neukunden steht. Der Käufer wird diesem Potenzial jedoch nur wenig Rechnung tragen, es sei denn, die aktuelle Inhaberschaft hat bereits konkrete Schritte unternommen, um das Potenzial zu realisieren, zum Beispiel durch den Abschluss langfristiger Kundenverträge. Der Käufer übernimmt das Risiko für die mögliche Umsetzung des Potenzials und setzt dafür eigene Ressourcen ein.


Ein Earn-Out, also ein variabler Teil des Kaufpreises, der zu einem späteren Zeitpunkt abhängig vom Erfolg gezahlt wird, kann das Risiko bei der Erschliessung dieser Potenziale reduzieren und die Finanzierung des Kaufpreis flexibler gestalten. Dies signalisiert dem Käufer, dass der Verkäufer an das Potenzial, die Zukunft und die Fähigkeiten des Erwerbers glaubt. Allerdings muss der Earn-Out fair und erreichbar sein.


Fehlschluss Nr. 2:

“Meine reingesteckte Arbeit muss jetzt belohnt werden !"

Diese Aussage basiert auf der Annahme, dass der Wert eines Wirtschaftsguts der Gesamtheit aller damit verbundenen Aufwände entspricht. Im Grunde genommen ist diese Argumentation korrekt, da eine Firma letztendlich ein wirtschaftlich handelbarer Vermögenswert ist. Jedes Produkt und jede Dienstleistung resultiert aus der geschickten Kombination verschiedener Einsatzfaktoren wie Rohmaterial, Arbeitsleistung, Kapital und Zeit. Insbesondere bei physischen Erzeugnissen wird der Preis des Produkts oft durch die Kosten der Einsatzfaktoren gerechtfertigt, basierend auf den angefallenen Kosten plus einer Prämie.


Jedoch schleicht sich hier ein Fehlschluss ein: Nur diejenigen Einsatzfaktoren, die den Wert des Vermögenswerts direkt oder indirekt steigern, sind für die Wertbestimmung relevant. Wenn es sich um ein Unternehmen handelt, wird sich jeder wertsteigernde Beitrag früher oder später in Form von höheren Umsätzen und/oder niedrigeren Kosten bemerkbar machen und sich positiv auf den Gewinn auswirken. Wenn jedoch die Einsatzfaktoren keine dieser Effekte bewirken, können sie bei der Unternehmensbewertung nicht berücksichtigt werden. Eine hohe Arbeitsbelastung des Unternehmers oder der Unternehmerin bei gleichbleibenden oder sinkenden Gewinnen deutet eher darauf hin, dass das Geschäftsmodell Schwächen aufweist oder, dass es im Unternehmen Ineffizienzen gibt, die nicht angegangen werden. Beide Umstände wirken sich nachteilig auf den Unternehmenswert aus.


Fehlschluss Nr. 3:


"Von Null anfangen würde dem Käufer teurer zu stehen kommen !"

Bei diesem Fehlschluss geht der Verkäufer davon aus, dass es für den Erwerber letztendlich teurer wäre, auf der grünen Wiese zu beginnen. Dieses Argument wird verwendet, um einen festgelegten Verkaufspreis zu rechtfertigen, der die Kosten für den Nachbau des eigenen Unternehmens berücksichtigt. Diese Überlegung ist nicht völlig unbegründet, da ein Kauf unmittelbar einen Gewinnbeitrag liefern kann, weniger Risiken birgt als eine Neugründung. Weniger Risiken können höhere Erträge bedeuten. Allerdings muss sich die in Frage stehende Investition mit ihrem Rendite- und Risikoprofil nicht nur mit der Option einer "Neugründung" vergleichen lassen, sondern mit allen Investitionsalternativen, die dem potenziellen Käufer zur Verfügung stehen. Vielleicht steht ein ähnliches Geschäft zu einem deutlich niedrigeren Preis zum Verkauf. Möglicherweise stehen noch andere wichtige Investitionen an, mit denen das Budget für den Unternehmenskauf konkurriert.


Wenn also das Risiko-Rendite-Profil des zum Verkauf stehenden Unternehmens in einem deutlichen Missverhältnis zu diesen Alternativen steht, wurde der Wert des Unternehmens möglicherweise überschätzt. Das gilt auch dann, wenn der Nachbau der Firma sogar teurer wäre. Denn wie bereits zu Beginn festgestellt, ist ein Unternehmen nur so viel wert, wie der Markt bereit ist zu zahlen. Es immer ratsam, sich auch am M&A-Transaktionsmarkt zu orientieren und den eigenen Wunschpreis mit ähnlichen Angeboten zu vergleichen.


Fehlschluss Nr. 4


Vermischung von Ertragswert und Substanzwert

Mischen von unterschiedlichen Werten

Für die Bewertung eines Unternehmens stehen grundsätzlich zwei Ansätze zur Verfügung: die ertragsbasierte und die substanzorientierte Herangehensweise. Bei der ertragsbasierten Methode wird die Erfolgsrechnung analysiert, und die Ertragsüberschüsse werden ins Verhältnis zu den damit verbundenen Risiken gesetzt, um den Firmenwert abzuleiten. Bei der substanzorientierten Herangehensweise liegt der Fokus hingegen auf der Bilanz, insbesondere dem materiellen Wert der Aktiva abzüglich der Schulden (Fremdkapital).


In der Praxis kommt es jedoch häufig vor, dass die beiden Ansätze fälschlicherweise addiert werden. Dies führt zu einer Überbewertung des EV. Die Überlegung dahinter beruht auf dem Argument, dass neben dem errechneten Ertragswert einer Firma auch sämtliche Bilanzwerte wie das Warenlager, liquide Mittel, Sachanlagen usw. vom Verkäufer auf den Käufer übergehen. Infolgedessen scheint es aus Sicht des Verkäufers sinnvoll zu sein, dem Ertragswert die bilanzierten Werte hinzuzufügen. Diese Logik missachtet die Grundprinzipien der beiden Bewertungsansätze. Beide sollten separat betrachtet werden und liefern einen EV entweder auf Basis der Erfolgsrechnung oder der Bilanz. Das Summieren beider Ansätze führt zwangsläufig zu einer überhöhten Unternehmensbewertung, was den Verkäufer zwar erfreut, den Käufer jedoch verärgern kann. Lediglich betriebsfremde Aktiva (z.B. Immobilien oder Wertpapiere) oder tatsächlich überschüssige Substanz (hohe Liquidität aus nicht abgeschöpften Unternehmensgewinnen) können als separater Substanzwert dargestellt werden.


Zusammenfassung

Die genannten Argumente sind in der Praxis weit verbreitet und führen zu einem überhöhten Verständnis des EV. Dies kann besonders frustrierend sein, wenn es sich um einen intakten Betrieb handelt und die Nachfolgeregelung aufgrund unüberbrückbarer Preisvorstellungen bereits im Keim erstickt. In solchen Situationen kann eine professionelle, erfahrene Person im Bereich Unternehmensverkäufe, die zwischen Wunschdenken und Fakten unterscheidet, entscheidend sein.

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